Rita Plum inmitten ihrer Bücher

Kultur Leben:

Egal ob analog oder digital – Rita Plum ist DAS Gesicht hinter der Gemeindebücherei Simmerath.

Sie ist Diplom Bibliothekarin mit Herzblut: Seit 2011 leitet Rita Plum die Gemeindebücherei Simmerath. Von wegen „verstaubter Bücherwurm“! In mehr als 40 Jahren Berufserfahrung geht sie nicht nur mit der Zeit, sondern ist den Ansprüchen der Leser*innen immer einen Schritt voraus. Kein Wunder, dass die Gemeindebücherei Simmerath Vorreiter bei Online- und Streaming-Angeboten ist. In unserem Interview erfahrt ihr mehr über ihre Arbeit als Gemeindebibliothekarin, wonach sie Bücher auswählt und ob ein Bestseller automatisch ein gutes Buch sein muss. 

Worin besteht deine Leidenschaft für Literatur? Was ist das Faszinierende daran?

Meine Leidenschaft dafür besteht aus vielen Facetten, sowohl privat als auch beruflich. Da ist viel im Laufe vieler Jahre gereift. Angefangen hat sie bei mir aber wohl schon im Kindergarten, und zwar mit Gedichten. Es fiel mir immer leicht, sie zu lernen. Und das kann man nur, wenn man sie verstanden hat. Ich konnte sie sogar vortragen. Bei uns im Dorf gab’s immer viel zu feiern, sodass ich quasi das Gedichte-Kind vom Dienst wurde, das die Gratulation überbrachte. 

In der Grundschule waren meine Aufsätze dann Produkte überbordernder Fantasie. Denn ich denke, dass vor die Leidenschaft das Talent zur Abstraktion und zur Fantasie gesetzt ist.

Die beste Geschichte verpufft, wenn sie nicht von den Hörenden oder Lesenden in eigene Bilder umgesetzt werden kann. Diese Fähigkeit verkümmert, wenn zur Erzählung zu viele konkrete Informationen geliefert werden, wenn zu viel erklärt wird. 

Gute Autorinnen und Autoren schaffen das und bescheren einfach schöne Lese-Erlebnisse, mal spannend, mal gemütlich, mal herzergreifend, die man sein ganzes Leben lang nicht mehr vergisst. Besonders bewundere ich die Kunst, sich als Erwachsener in Kinderseelen hineinzuversetzen und ein richtig gutes Kinderbuch zu schreiben.   

Was möchtest du in deiner Arbeit als Bibliothekarin weitervermitteln?

Im besten Fall schaffen wir Bibliothekarinnen und Bibliothekare, es, die Freude an Sprache und am geschriebenen Wort sowie der eigenen Lesekompetenz zu wecken, zu steigern und zu formen, sei es durch persönliche Präsenz und Beratung, sei es durch Veranstaltungen wie Lesungen und Vorlesestunden, sei es durch das Medienangebot.

Wenn wir das gut gemacht haben, bleiben uns die jungen auch als erwachsene Lesende erhalten, die selbstverständlich ihrerseits Wert auf Aktualität und Ausgewogenheit des Medienbestands legen dürfen. 

Wie nimmst du Kinder und Jugendliche mit auf die Reise im Zeitalter von Social Media und digitalem Angebot?

Im Laufe von Jahrzehnten haben wir auch immer mit allen möglichen Tricks und Lockmitteln sowie neuen Medien gearbeitet, um die Kinder und Jugendlichen an die Literatur heranzubekommen. Als erstes hielten die Spiele und die Kassetten Einzug, es folgten CDs und Filme, schließlich Online-Angebote. Und jedes Mal war es der Untergang des Abendlandes, jedenfalls in den Augen derer, die einen reinen Printbestand in Büchereien propagierten.  

Aber öffentliche Bibliotheken müssen meines Erachtens ein Spiegel der Gesellschaft sein. Deren Veränderungen sollten sich an den Medien im Regal, den Methoden ihrer Vermittlung und der Aufenthaltsqualität ablesen lassen.   

So setzen wir also zurzeit – immer im Zusammenspiel und als Ergänzung der Bücher auf Papier – auf verschiedene digitale Medien, vom Tonie und der Spielekonsole, über den Download von eBooks und eAudios bis hin zum Streaming von Filmen und Musik. 

Man kann aber auch immer wieder beobachten, ganz besonders nach den Corona-Lockdowns, dass den Kindern und Jugendlichen bei aller Affinität zu den sozialen Medien der persönliche Kontakt untereinander, auch in der Bücherei, sehr wichtig ist.

So freuen sich die Jugendlichen etwa auf die Schreibwerkstatt in Präsenz viel mehr als auf die Online-Durchführung dieses Angebots. Der Zuspruch für unsere Erzählreihe die „Verzauberte Bibliothek“ für Kinder ab 5 Jahren, bei der sie interagieren dürfen, ist erfreulicherweise auch groß.    

Du hast immer wieder neue Ideen und entwickelst das Angebot der Gemeindebücherei weiter. Nach welchen Kriterien gehst du an neue Projekte?

Ja, zum Glück gehen mir die Ideen noch nicht aus. Das liegt aber auch daran, dass ich viel Unterstützung aus unserem Förderverein, den Freunden fürs Lesen, und von der Gemeinde Simmerath als Trägerin der Bücherei, sowohl von der Verwaltungs- als auch von der politischen Seite, erhalte. 

Es ist oft so, dass sich aus einen Projekt eine Fortsetzung anderer Art entwickelt. Festgelegte Kriterien gibt es eigentlich nicht, außer, dass es realistische Aussichten auf die Umsetzbarkeit geben muss, bevor man etwas anfängt, sowohl finanzieller und personeller Art als auch was den Bedarf und die Machbarkeit vor Ort angeht. Natürlich muss man auch immer mal etwas wagen, wobei die Berufserfahrung lehrt, dass das Risiko des Nichtgelingens einigermaßen kalkulierbar sein sollte, schließlich verwalten wir ja Steuergelder.

Woran arbeitest du aktuell?

Gerade haben wir als Verbund der 15 Öffentlichen Bibliotheken der Region Aachen/Düren/Heinsberg eine Förderung aus dem bundesweiten Digitalprojekt „Wissenswandel“ in Höhe von über 120.000 € erhalten. Die daraus resultierenden Online-Angebote, für Simmerath ganz neu das Streamingportal „freegal music“,  werden am 25. Oktober mit einem kleinen Festakt öffentlich vorgestellt.

Gibt es ein Herzensprojekt?

Ich stecke eigentlich in alles, was ich mache oder in jede Idee, die ich verfolge, viel Herzblut und so manche Überstunde. Was zählt, ist jeweils das Ergebnis und die Annahme durch unsere Leserinnen und Leser.

Ist ein Bestseller wirklich immer gleich auch gute Literatur?

Zunächst ist ein Bestseller ja nichts anderes als ein Buch, das sich gut verkauft. Ob Bestseller wirklich gute Bücher sind, entscheidet der oder die Lesende, jeder und jede für sich. Ich bin von Bestsellern schon sowohl begeistert als auch enttäuscht worden. Meine persönliche Meinung tut aber nichts zur Sache. Ich kaufe sie, soweit es der Etat zulässt, weil unsere Kundschaft Anspruch auf Ausgewogenheit hat, schließlich sind wir eine Einrichtung der Öffentlichen Hand mit niederschwelligem Angebot.

Dennoch werde ich natürlich um Empfehlungen gebeten, die dann auch oft bei den Ratsuchenden ins Schwarze treffen. Um eine Hilfestellung auch für zu Hause zu bieten, habe ich während unserer letzten Click&Collect-Phase in unserem Online-Katalog eine Medienliste mit dem Titel „Lieblingsbuch“ angelegt. Dort findet man Bücher, die durchaus, aber nicht immer, etwas abseits der Bestsellerlisten zu finden sind. 

Für mich machen Authentizität, lebendige Charaktere und – ganz altmodisch – ein geschliffener Stil, der durchaus modern sein kann, ein gutes Buch aus. 

Wonach suchst du die Bücher für die Bücherei aus? Liest du die Neuanschaffungen alle selber?

Bei über 1000 Neuanschaffungen pro Jahr käme ich vor lauter Lesen nicht mehr zum Arbeiten. Was ich aber tue, ist, etwas über jedes Buch, das ich kaufe, zu lesen. Dabei stütze ich mich in erster Linie auf eine gute, ziemlich objektive Quelle, den sogenannten „Besprechungsdienst für Bibliotheken“. Das ist ein Auswahlkatalog, online und in Zettelform, mit Rezensionen von Bibliothekar:innen für Bibliothekar:innen. Ich erhalte wöchentlich ein Paket mit ca. 100 Buchbesprechungen für alle Alters- und Sachgruppen. Ich gebe zu, diese zu lesen bzw. durchzuarbeiten, ist für mich immer ein bisschen wie Weihnachten, weil es viel Vorfreude auf Neues weckt und ich dabei den beseelten Gesichtsausdruck der vielen kleinen und großen Leser vor Augen habe. Das ist bei einer so kleinen Bücherei wie der unseren vielleicht keine große Kunst, aber womöglich ein willkommener, serviceorientierter Nebeneffekt.

Selbstverständlich berücksichtige ich darüber hinaus auch Anschaffungsvorschläge unserer Leserinnen und Leser.

Kontakt

Mehr Infos über Rita Plum, ihre Projekte und Angebote der Gemeindebücherei Simmerath finden Sie hier:

www.simmerath.de

Über Die Simmerather Machergeschichten

Wir stellen vor: die Simmerather Machergeschichten. Machen. Voranbringen. Entwickeln. Dinge anpacken, etwas um jeden Preis erreich wollen, Risiken eingehen und das alles mit Leidenschaft und Herzblut für die eigene Sache. Das ist es, was Macher ausmacht. Dafür müssen wir nicht in die Ferne schauen. Sondern direkt vor unserer Tür gibt es beeindruckende Geschichten von Unternehmerinnen und Unternehmern, die einen wichtigen Teil unserer lokalen Wirtschaft bilden.

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