Foto @ Annette Wüst

Selbstbestimmtes Leben durch intensiv Betreutes Wohnen – die „6 Simmer“ WG in Simmerath zeigt, wie es geht. 

Seit November 2021 ist für die Bewohner der Simmerather „6 Simmer“-WG ein Traum wahrgeworden. 6 Bewohnerinnen und Bewohner haben sich im Rahmen einer Wohngemeinschaft zusammengetan, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Das Besondere an dieser WG: Hier leben nur Menschen mit geistiger Behinderung. Kein Grund, um nicht auch ein Leben in Eigenregie führen zu können. Wie das funktionieren kann, welche Resonanz das Wohnprojekt hat und welchen Einfluss auf das Leben der Bewohner, darüber sprechen wir mit Patrick Scheuer, der Teamleitung des betreuten Wohnens Süd der Caritas Lebenswelten.  

Was ist das Besondere an dieser Wohngemeinschaft?

Diese Wohngemeinschaft ist eine BeWo WG. Das heißt hier leben ausschließlich Menschen mit geistiger Behinderung, für die über das Betreuungsangebot der Caritas Lebenswelten eine 24 Stunden Betreuung sichergestellt wird. Für die Klient*innen ist das Leben in einer solchen WG ein großer Schritt in ein selbstständiges Leben. 

Worauf liegt der Fokus im Rahmen des Angebotes?

Unser Angebot richtet sich ausschließlich an Menschen mit einer geistigen Behinderung. Wir möchten den Klient*innen soweit es geht, ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Das Konzept des 24 Stunden betreuten BeWo ist eine alternative Wohnform zu den klassischen, stationären Wohnhäusern. Durch die Sicherstellung der Betreuung können auch Menschen mit geistiger Behinderung in den eigenen vier Wänden, individuell zusammenleben. 

Wie kam es zu dem Wohnprojekt in Simmerath? 

Die WG ist aus einer Elterninitiative heraus entstanden. So haben sich mehrere Eltern zusammengetan, Wohnraum gekauft und das entsprechende Betreuungsangebot ausgewählt. So ist aus eigentlich 3 Wohnungen eine große, barrierefreie Wohnung auf insgesamt 125 m2 entstanden, in der jeder der 6 Klient*innen ein neues Zuhause gefunden hat.

Welche wesentlichen Vorteile sehen Sie in dem Konzept dieses Wohnangebotes?

Selbstständigkeit. Hier lernen die Klient*innen ein selbstbestimmtes Leben und tun Dinge, die vorher unmöglich schienen.

So haben wir z.B. seitenweise Kochbücher in einfacher Sprache erstellt, damit die Klient*innen das Kochen einfacherer Gerichte erlenen können. Unter Anleitung bringen wir ihnen dies sehr kleinschrittig bei.

Oder der mit den Klient*innen gemeinsam entworfene Haushaltsplan: Hier steht genau, wer an welchen Tagen welche Aufgabe hat. An diesen Aufgaben wachsen unsere Klient*innen und machen die Erfahrung von Selbstwirksamkeit. 

Eltern können so für ihre erwachsenen Kinder ein zuhause schaffen, welches auch dann noch Bestand hat, wenn sie sich nicht mehr um sie kümmern können.

Wie ist die Resonanz bei Bewohner und Caritas?

Die Klient*innen sind größtenteils sehr glücklich. Natürlich brauchten wir eine gewisse Eingewöhnungszeit. 

Vor allem die Eltern sind oftmals erstaunt, welch riesen Schritte ihre Kinder in den letzten 1,5 Jahren in Richtung Selbstständigkeit gemacht haben. Dinge, die vorher nicht möglich schienen, werden hier erlernt und immer sicherer durchgeführt. Das multiprofessionelle Mitarbeiter*innen-Team in der WG macht das möglich.

Und für Sie als Betreuer? 

Für mich persönlich ist das die inklusivste Wohnform für Menschen mit geistiger Behinderung, die ich bisher begleiten durfte. Es ist die Wohnform, die der Selbstbestimmung und Teilhabe am nächsten kommt. 

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? 

Das Konzept des betreuten Wohnens gibt es schon sehr lange. Diese intensiv betreute Form ist dagegen noch nicht so häufig anzutreffen. Unsere WG in Simmerath ist hier in der Region Eifel (Monschau, Simmerath, Roetgen) die einzige mir bekannte. Doch der Bedarf danach ist riesig. Wir suchen permanent geeignete Immobilien für die Menschen auf unseren Wartelisten. Es gibt weitere Elterninitiativen, die selber Immobilien bauen oder kaufen und sanieren möchten, um neue WGs zu schaffen. Ich spreche aktuell mit vielen Eltern und Gruppen von Eltern und versuche Menschen für neue Projekte zusammenzubringen. Manche wollen etwas bauen und suchen Mitbewohner*innen, andere wollen oder können nicht bauen oder kaufen und suchen einfach nur einen Platz in einer WG. Es gilt, diese Menschen zusammen zu bringen. Mein Ziel ist es, weitere WGs dieser Art zu schaffen und den Menschen auf unseren Wartelisten den Traum in einer WG zu leben zu ermöglichen.

Was genau ist Ihre Rolle dabei? Die Rolle der Caritas Lebenswelten?

Wir stellen die Betreuung durch unser Fachpersonal. Die meisten Menschen sind erstaunt, wenn sie sehen wie unterschiedlich die durch uns betreuten Personen sind und welche Bedarfe sie haben. Die geistige Behinderung steht zum Beispiel in Verbindung mit Verhaltensauffälligkeiten, Autismusspektrum-Störungen bis hin zu Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen und körperlichen Einschränkungen. Menschen, für die es bisher nahezu undenkbar war in den eigenen vier Wänden zu wohnen und dort betreut zu werden. 

Welche Probleme ergeben sich bei der Umsetzung von 24-Stunden- BeWo Projekten?

Das Hauptthema ist das knappe und oft sehr zu teure Wohnungsangebot. Für unsere Klient*innen ist es sehr schwieriger eine Wohnung zu finden. Oftmals existieren Vorbehalte bei Vermietern. Hinzu kommt, dass neue Wohnungen in Simmerath, Imgenbroich und Roetgen meist viel zu groß und viel zu teuer sind. Die Menschen mit denen wir ausschließlich zusammenarbeiten, sind auf zentrale Standorte angewiesen. Sie haben nur sehr selten einen Führerschein und ein Fahrzeug und müssen die Orte des täglichen Bedarfs fußläufig erreichen können. Da befinden wir uns definitiv in einem Dilemma. 

Ihre Empfehlung?

Bei dem aktuell vorherrschenden Wohnungsmangel kann es eine Möglichkeit sein, sich mit mehreren Personen zusammen zu tun und eine WG zu gründen. Für eine WG, die 24-Stunden betreut wird, benötigt man idealerweise 5-7 Personen, die zusammen leben möchten. Wer Interesse an einer solchen Wohnform hat, mehr darüber wissen möchte oder in Kontakt mit anderen Menschen kommen möchte, die ebenfalls einen Platz in einer WG suchen, kann sich gerne an mich wenden. Teamleitung BeWo Süd; Patrick Scheuer; 01714095084 oder pscheuer@caritas-lebenswelten.de

Kontakt:
Caritas Lebenswelten
Teamleitung BEWo Süd
Patrick Scheuer
Email: pscheuer@caritas-lebenswelten.de
Tel. 0171 409 5084

Vielen Dank für das Gespräch!

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