Mein Gott, Walter!

Walter Schmidt kann nicht aus seiner Haut. Vor allem kann er nichts, was einen Haushalt am Laufen hält. Wozu auch? Dafür hat er Barbara, seine Frau. Doch die legt sich eines Tages ins Bett und steht nicht mehr auf. Was dahinter steckt, wissen alle, außer ihm. Aber er fragt nicht.

Bronskys ganz eigener Humor: tragikomisch, berührend und zum Lachen.

Alina Bronsky kann etwas, was in der deutschen Literatur keine Selbstverständlichkeit ist: Leicht erzählen, ohne belanglos zu sein. Ihr Ton ist dabei einfach unverwechselbar, sehr direkt, mitunter politisch nicht korrekt, dennoch – oder gerade deswegen – lustig. Und auch ganz schön böse. Das sei eigentlich aber gar nicht ihre Absicht, sagt sie: „Ich glaube, dass wenn man über das Leben schreibt, eine gewisse Boshaftigkeit unvermeidbar ist. Ich hatte auch schon Stimmen gehört, die eher der Meinung waren, ausgerechnet jemand wie Herr Schmidt, macht ein Buch erst recht boshaft. Ich weiß es nicht. Ich weiß es überhaupt nicht.“

Katja Essbach in NDR Kultur

Herr Schmidt ist ein Mann alter Schule: Er hat die Rente erreicht, ohne zu wissen, wie man sich eine Tütensuppe macht und ohne jemals einen Staubsauger bedient zu haben. Schließlich war da immer seine Ehefrau Barbara.

Wie die Autorin hat Herr Schmidt russische Wurzeln, ist irgendwann nach Deutschland gekommen und hat sich angepasst. Dasselbe verlangte er auch von seiner Frau. Kein Akzent sollte ihre Herkunft verraten. Irgendwie unsichtbar, unangreifbar werden. Was er sich gönnt, ist eine Auszeit mit anderen Männern beim Bowling am Donnerstagnachmittag. Wo sich Barbara überall nützlich gemacht, welche Freundschaften sie aufgebaut hat, wo sie nun vermisst wird, deckt Herr Schmidt erst allmählich auf. Darüber hat er mit seiner Frau nie gesprochen. Wie gesagt, er ist jemand, der nicht fragt.

Verwandt mit der russischen Seele

Mit bitterbösem Witz und großer Warmherzigkeit, verwandt mit der russischen Seele, erzählt Alina Bronsky, wie sich der unnahbare Walter Schmidt am Ende seines Lebens plötzlich neu erfinden muss: als Pflegekraft, als Hausmann und fürsorglicher Partner, der er nie gewesen ist in all den gemeinsamen Jahren mit Barbara. Und natürlich geht nicht nur in der Küche alles schief. Doch dann entdeckt Walter den Fernsehkoch Medinski und dessen Facebook-Seite, auf der er schon bald nicht nur Schritt-für-Schritt-Anleitungen findet, sondern auch unverhofften Beistand. Nach und nach beginnt Walters raue Fassade zu bröckeln – und mit ihr die alten Gewissheiten über sein Leben und seine Familie.

„Warum denken alle, dass sie es besser wissen?“, explodierte Herr Schmidt. „Jeder Depp auf der Straße hat eine Meinung, die mehr zählt als meine. Ist sie eure Frau? Ist jemand dabei, Tag und Nacht, jede verdammte Sekunde? Ich sag’s euch: Barbara stirbt nicht.“

Barbara stirbt nicht

von Alina Bronsky

256 Seiten

Verlag: Kiepenheuer & Witsch

2021

ISBN: 978-3-462-00072-6

gebunden: 20,00 €

ePub: 14,99 €

In der Gemeindebücherei Simmerath vormerken

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Der Zopf meiner Großmutter

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