Unser Literaturtipp des Monats März

Foto: © Roger Eberhard

Hard Land – Die Geschichte des Jungen, der den See überquert und als Mann wiederkommt

„In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“

Dieser erste Satz des neuen, großen Romans von Benedict Wells ist im übertragenen Sinn ausgeliehen und leider sehr wahr.

Der fünfzehnjährige Sam ist ein Sammler von ersten Sätzen. Und er ist ein Schisser. Immer schon. Die Arbeitslosigkeit seines Vaters und die todbringende Krankheit seiner Mutter machen das nicht besser. Noch dazu wohnt er in Grady, dem „beschissenen Kaff“, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Die Fabrik wurde abgewickelt, das Larry’s, letztes Diner im Ort, und das Metropolis-Kino, in dem nur noch Seniorenfilme gezeigt werden, sind ebenfalls dem Untergang geweiht.  Alles in allem ein wahres Hard Land im methodistisch geprägten „Heartland“, nordwestliches Missouri, im Jahr 1985. Niemand ist online, alles noch – eigentlich schön – analog. Und das ist am Ende doch okay.

„Grady ist wie ein Pornokino in Zeiten der VHS-Kassette“.

Und im Land des Erwachsenwerdens sind ebenfalls keine Wohnungen mit Aufzug frei, will heißen, es ist auch hier hart, mit all den Peinlichkeiten, Demütigungen, Niederlagen. Doch Sam schlägt sich wacker. Durch einen Ferienjob im Metropolis gelingt es ihm, endlich Freunde und die erste Liebe zu finden. Natürlich muss er auch daran hart arbeiten, aber am Ende erlebt er etwas, das man als einen „magischen Sommer“ bezeichnen kann. Ein buchstäblicher Sprung ins kalte Wasser verschafft ihm einen persönlichen Etappensieg, mit dem Respektverschaffen plagt er sich zwar sehr, aber es gelingt ihm immer besser. Er wächst über sich hinaus, was bei seiner Körpergröße nicht besonders schwer ist, könnte man böse behaupten. Aber mental entwickelt sich Sam in diesen elf Ferienwochen geradezu rasant.    

Klassischer Coming-of-Age-Roman

Dennoch bleibt er ein Einzelgänger. Obwohl wir nicht mit ihm tauschen wollen, möchten wir ihn gern zum Freund haben, ihn in den Arm nehmen, ihm auf die Schulter klopfen. Wir lachen mit ihm und, ja, wir weinen auch hundert Seiten vor Schluss mit ihm. Und das ist auch okay.

„Meine Erinnerung an diese Tage gleicht einem verbrannten Blatt Papier, von dem nur einige verkohlte Fetzen übriggeblieben sind.“

Pressebild_hard-landDiogenes-Verlag




Wells, Benedict:

Hard Land

ISBN 978-3-257-07148-1

Diogenes Verlag

2021

24,00 €



Das Buch kann im Online-Katalog der Gemeindebücherei Simmerath direkt vorgemerkt werden.

Benedict Wells – ein Meister seines Fachs

Benedict Wells ist ein junger Meister seines Fachs. Er zieht in seinem klassischen Coming-of-Age-Roman eloquente Vergleiche zu Menschen, die er empfindet wie Jalousien, die ab und zu kleine Ritzen öffnen, wie Stützräder beim Fahrradfahrenlernen oder die in der Lage sind, an einem dunklen Ort in ihm, seinem Protagonisten, ein Streichholz anzuzünden. Er schreibt Sätze, voller Wahrheit und Selbstironie, Humor und Wucht, welche die Lesenden berühren, mal wie ein Schlag in die Magengrube, mal wie ein sanftes Streicheln, mal wie ein Lachanfall aus vollster Brust.

Mehr über Benedict Wells, sein Schreiben, sein Leben erfährt man hier.

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