Mein Literaturtipp für Februar: „Gespenster“ von Dolly Alderton.

Von der Liebe und vom Verschwinden. Oder was ist eigentlich Ghosting?

Jetzt neu im Büchereiregal, mein Buchtipp „Gespenster“ von Dolly Alderton.

Im Literaturtipp stellen wir euch Monat für Monat die besten Neuerscheinungen und andere lesenswerte Bücher vor.

Ich sag’s gleich: Niemals, ich schwöre, niemals würde ich freiwillig zu einem Buch mit rosa Buchrücken und rosa Lesebändchen greifen! Tja, und doch habe ich eine Ausnahme gemacht. Da das Buch „Gespenster“ von Dolly Alderton, preisgekrönte Starkolumnistin der „Sunday Times“, Journalistin und Podcasterin, gerade in Vieler Munde ist, musste ich da doch mal reinschauen und meine Aversion überprüfen. Was soll ich sagen… Es hat sich gelohnt. Die Stimme der Protagonistin und damit ihrer Autorin scheint – ich hoffe, dies mit einem gewissen Altersabstand beurteilen zu können – eine ernstzunehmende, wobei viel Selbstironie versprühende, und authentische der Generation „30 plus“ zu sein.

Vorsicht: rosa Lesebändchen!

Und was ist nun eigentlich Ghosting? Für alle, die den Begriff noch nicht gehört und hoffentlich diesem Phänomen noch nicht zum Opfer gefallen sind, wird (erst) auf Seite 120 des Buches die Erklärung geliefert: „Ghosting ist, wenn jemand einfach nicht mehr mit dir kommuniziert, statt ordentlich Schluss zu machen. Es rührt von der Vorstellung her, dass man sich von jemandem verfolgt fühlt, wenn er einfach so verschwindet. Andere sagen, es kommt von den drei grauen Pünktchen, die auftauchen und wieder verschwinden, wenn dir jemand eine iMessage schreibt und sie dann aber nicht abschickt. Weil das gespenstisch ist.“

Wir begleiten die Foodjournalistin Nina George Dean exakt ein Jahr, und zwar von ihrem 32. bis zu ihrem 33. Geburtstag. Die junge Frau ist beruflich angekommen, obwohl alles hart erarbeitet ist. Nichts fällt in den Schoß, schon gar nicht ihre teure, dennoch renovierungsbedürftige Wohnung mitten in London. Nina erscheint zu jedem Termin pünktlich, mit einem Puffer von fünf Minuten, versteht es, in Gesellschaft ihr Gegenüber mit Fragen zu füttern, damit dieses das Reden übernimmt, und sie kann: das perfekte Ei pochieren. Sie ist nicht besonders hübsch, wendet für Ihr akzeptables Aussehen aber auch nicht mehr Zeit auf, als unbedingt nötig. Trotzdem sieht sie gut aus, hat Ausstrahlung. Nur mit der Liebe läuft es nicht rund. Nachdem sie sich nach sieben Jahren von Joe, mit dem sie noch freundschaftlich verbunden ist, getrennt hat, empfinden Männer sie wie den perfekten Boxenstopp, wo stets ein kühles Bier und ein Käsesandwich auf sie warten. Mehr scheint für Nina aber im Moment nicht drin zu sein.

So kann es nicht weitergehen. Die Lösung verspricht eine Dating-App. Von ihrer schillernden Freundin Lola dazu ermuntert, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Irgendwann in Gestalt von Max, groß, gut aussehend, kraftvoll, ernst, seelenverwandt. Geradezu perfekt. Letztere Einschätzung lässt Nina aber erst allmählich, nach reichlich rationalem Analysieren zu. Und verfällt diesem Mann. Er schafft es, sie nicht nur einmal, sondern sogar zweimal zu ghosten.

Es fließt viel Wein und es wird viel geraucht.

Wie das geschieht, wie sie dieses Verschwinden und gleichzeitig die dementielle Entfremdung ihres Vaters verkraftet, und warum sich „The Edge of Heaven“ von Wham als Soundtrack durchs Buch zieht und sehr viel mit ihrem zweiten Vornamen zu tun hat, wird nicht verraten. Nur so viel: es fließt viel Wein, es wird viel geraucht und angemessen geredet. Es sind die urkomischen, sezierenden Situationsbeschreibungen, etwa der des Junggesell(inn)en-Abschieds und der Hochzeit von Joe, der zu Pflichtbesuchen verkommenen Treffen mit ihrer besten Freundin Katherine oder der „Terrorabwehr“ gegen ihren Nachbarn Angelo, die zum Glück den roten Faden von Ehrlichkeit und Humor nicht abreißen lassen, ebenso wenig wie das Band der Freundschaft. „Liebe ist, sich zum Hüter der Einsamkeit des anderen zu machen. Vielleicht ist Freundschaft die Hüterin der Hoffnung.“ Kaum zu glauben, dass derart Ausgesprochenes derart glaubhaft rüberkommt.

Ein Happy-End bleibt der Leserin, denn es ist ganz klar ein Frauenbuch, sorry, erspart. Aber wir wissen, Nina ist stark genug, irgendwann die Liebe ihres Lebens zu finden. Fürs Erste nimmt sie sich vor, „im Laufe des kommenden Jahres die Menschheit zu retten oder wenigstens öfter an die Tafel zu spenden.“

Wer jetzt Lust auf das Buch bekommen hat, kann es gerne direkt hier vormerken oder in unserem Online Katalog nach weiterem tollen Lesestoff stöbern.

Auf einen Blick:

Alderton, Dolly
Gespenster

ISBN  978-3-455-01109-8,
Atlantik Verlag, 2021, 22,00 €

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