Schicksale sichtbar machen: Stolpersteine in Simmerath

Der 9. November ist ein schicksalhafter Tag für Deutschland: Heute vor 85 Jahren, am 9. November 1938, begann die Reichspogromnacht, in der zahlreiche Gewalt- und Gräueltaten gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger sowie deren Einrichtungen begangen wurden – und viele weitere folgten in den Jahren darauf.

Anlässlich des Gedanktages widmen wir uns in diesem Beitrag dem Thema Stolpersteine in Simmerath.

Stolpersteine sind den meisten Menschen zwar ein Begriff, doch man verbindet sie vor allem mit Städten und in der Nordeifel sind sie eher rar vertreten – die einzigen fanden sich lange in Eicherscheid. Im letzten Jahr sind vier weitere hinzu gekommen: Auf dem Rathausplatz und in Steckenborn. Wir stellen euch die Geschichten dahinter nochmal vor. Denn genau das sollen Stolpersteine bewirken: Einzelschicksale sichtbar machen und individuelles Gedenken ermöglichen.

Stolpersteine – was steckt überhaupt dahinter?

Stolpersteine sind Denkmäler: Sie erinnern an Opfer des Nationalsozialismus. Das besondere dabei ist, dass sie an jedes Opfer individuell erinnern und nicht ein großes Denkmal stellvertretend für viele Menschen steht. Sie werden in der Regel dort verlegt, wo die Betroffenen zuletzt freiwillig gewohnt haben. Beim Großteil der Steine in der Gemeinde Simmerath ist es aber etwas anders …

Die Stolpersteine und die Schicksale dahinter

Leo, Helene und Edith Kaufmann

Die Stolpersteine in Eicherscheid liegen seit 2017 auf dem Kirchplatz an der Kirche, gegenüber dem ehemaligen Wohnhaus der jüdischen Familie Kaufmann im Kirchweg 9. Sie erinnern an das Ehepaar Leo und Helene Kaufmann sowie deren Tochter Edith Kaufmann.
Sie waren die einzige jüdische Familie im Altkreis Monschau. Anders als viele andere Menschen, an die Stolpersteine erinnern, überlebten sie den Krieg und das Nazi-Regime. Nachdem sie in ihrem Heimatdorf schikaniert wurden und gegen sie gehetzt wurde, floh die Familie 1939 nach Belgien, tauchte dort unter und wanderte nach dem Krieg in die USA aus.

Maria und Peter Offermann

Die Steine für die Geschwister Maria und Peter Offermann liegen seit 2022 auf dem Rathausplatz am Schriftzug „Witzerath“ – denn dort lebten die beiden zuletzt. Da in Witzerath jedoch nicht viel Fußgängerverkehr herrscht, wurde in Absprache mit der Stiftung – Spuren – Gunter Demnig beschlossen, die Steine auf dem Rathausplatz zu verlegen, damit sie von mehr Menschen wahrgenommen werden.

Foto: Gemeinde Simmerath

Maria Offermann und Peter Offermann wurden beide wegen mutmaßlicher psychischer Probleme in eine Heilanstalt eingewiesen. Von dort kamen sie nicht mehr lebend zurück, es ist davon auszugehen, dass Peter Offermann verhungerte, die genauen Umstände des Todes von Maria Offermann sind nicht bekannt.

Schon gewusst? Viele Stolpersteine werden jedes Jahr anlässlich des Gedenkens an den 9. November gereinigt. In Eicherscheid machen das Schülerinnen und Schüler des St. Michael Gymnasiums Monschau, in Simmerath Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule.

Eduard

Eduard, dessen Nachname unbekannt ist, war ein erst 17-jähriger polnischer Zwangsarbeiter. Er war geflohen und lebte im Wald zwischen Dedenborn und Einruhr. Um zu überleben stahl er Essen aus angrenzenden Häusern. Er wurde im Waldstück Düsterheld erschossen. Deshalb wurde sein Stolperstein ebenfalls auf dem Rathausplatz am Schriftzug „Einruhr“ verlegt.

Foto: Gemeinde Simmerath

Josef Babuschkewitz

Auch Josef Babuschkewitz war ein Zwangsarbeiter. Ihm wurde eine (verbotene) Beziehung zu einer deutschen Frau nachgesagt. Ohne, dass die Beziehung nachgeweisen wurde oder es ein Gerichtsverfahren gegeben hätte, wurde er in Steckenborn auf einem Hof öffentlich dafür erhängt. Da der Hof abgelegen ist und dort nur ein Feldweg vorbei führt, liegt der Stolperstein zentral und gut wahrnehmbar in Steckenborn gegenüber der Kirche auf dem Gehweg.

Foto: Gemeinde Simmerath

Interessiert an Geschichte und Gedenken in der Nordeifel? Dann empfehlen wir euch auch die neue Ausstellung an der Gräberstätte zwischen Rurberg und Kesternich. Dazu werden wir euch auch noch einen Blogbeitrag vorbereiten.

Übersicht: Wo liegen Stolpersteine in Simmerath?

Wie kam es zu den Stolpersteinen in Simmerath?

Angeregt wurden die jüngsten Verlegungen in Simmerath und Steckenborn von Herbert Wüller aus Witzerath, dessen Tante und Onkel Maria und Peter Offermann waren, und Dr. Dieter Lenzen aus Kesternich, der auch als Autor zum Thema Zwangsarbeit in der Nordeifel bekannt ist.
Die Verlegung in Eicherscheid ging seinerzeit auf eine Initiative des Arbeitskreises Geschichte Eicherscheid und die Idee einer Jugendgruppe der evangelischen Kirchengemeinde Monschauer Land zurück.
Wusstet ihr, dass jeder die Verlegung eines Stolpersteins initiieren kann?
Wenn euch das Thema interessiert findet ihr alle Infos zur Verlegung von Stolpersteinen und zum Projekt „Stolpersteine“ auf www.stolpersteine.eu.

Wer sich für Stolpersteine interessiert, findet beim Projekt „Stolpersteine NRW“ eine Übersicht über die Stolpersteine in NRW und die dahinter stehenden Schicksale: Stolpersteine NRW

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